Eine Entdeckungsreise auf den Spuren des Jugendstils könnte nirgendwo anders beginnen als in Varese, einer Stadt, die bereits im 19. und 20 Jh. renommiert und wegen ihrer landschaftlichen Schönheit begehrtes Touristenziel war. Nicht durch Zufall entstanden in Varese, Gartenstadt par excellence und Freilichtmuseum des Jugendstils, die großen Hotelanlagen Grand Hotel al Campo dei Fiori und Palace Grand Hotel, die von Giuseppe Sommaruga, einem der begabtesten Vertreter des Jugendstils, entworfen wurden. Aber auch die Verkehrsmittel standen unter dem Einfluss dieses Stils, wie z. B. die Straßenbahn und die Seilbahn, die es durch eine Verbindung mit der Eisenbahnstrecke ermöglichten, Santa Maria del Monte und Campo dei Fiori von Mailand aus in damaligen Rekordzeiten zu erreichen.
Zahlreich waren auch die in der ganzen Provinz verbreiteten Jugendstilvillen des wohlhabenden Bürgertums, wie z. B. Villa Bollani, Villa Agosteo, Villa Magnani in Varese, Villa Ottolini, Villa Leone und Villa Ferrario in Busto Arsizio und Villa Marelli in Gallarate. Ebenfalls originell waren verschiedene Industriegebäude, z. B. die Bierfabrik Poretti in Induno Olona, die Marzoli-Massari-Mühlen in Busto Arsizio, die Fabrik Borgomaneri in Gallarate und Gebäude für Dienstleistungszwecke, wie der Kindergarten von Bregazzana. Ein weiteres Kapitel bildet die Friedhofskunst. Die Monumentalfriedhöfe von Varese, Busto Arsizio und Gallarate beherbergen Kunstwerke aus jener Zeit, darunter auch einige kleine Meisterwerke. Die dargestellten Thematiken sind meistens traditionell (Leben, Tod, Schmerz, Trauer um verlorene Familienmitglieder) und die Werke stammen von mehr oder weniger namhaften Künstlern. Zusammenfassend kann man sagen, dass sich die Architektur des Jugendstils im Gebiet von Varese in Werken von verschiedener Funktionalität und vorwiegend in den produktivsten und am dichtesten besiedelten Zonen entfaltete.

Die Villa Agosteo
Die 1911 nach einem Projekt des Ingenieurs Agosteo errichtete Villa Agosteo ist einer der bedeutendsten Ausdrücke der varesischen Jugendstilarchitektur. Aus der kompakten Form des Grundrisses ragen zwei mit Walmdächern bedeckte Baukörper empor. Die Holzbalken, auf denen die Dächer ruhen, bilden einen idealen Rahmen für die elliptischen Fensteröffnungen der Fassade. Letztere haben kunstvolle Stuckrahmen mit ornamentalen Blumenmustern und weitere Dekorationen mit Blättern, Früchten und Pfauenfedern in bunter Keramik. Besonders wertvoll sind auch die vorwiegend aus Spinnennetzmustern bestehenden Dekorationen aus Schmiedeeisen an den Balkonen und an den eisernen Querstäben des Tores.

Die Bierfabrik Poretti in Valganna
Der Komplex der Bierbrauerei Poretti stellt eines der seltenen Beispiele der Anwendung des Jugendstils an Industriebauten dar. Die Fabrik wurde in den 80er Jahren des 19. Jh. am Fluss Olona errichtet und begann um 1887 mit der Produktion. Zum ursprünglichen Kern, erkennbar durch die beachtenswerten Dekorationen in gelber und grauer Farbe, wurden mit der Zeit weitere Fabrikskörper für neue Anlagen und Maschinen hinzugefügt. Von besonderem Wert ist das heute in einen Veranstaltungssaal umgewandelte alte Sudhaus. Die Eleganz der Ausführungen im Inneren, die stilistische Einheitlichkeit und die Präsenz von Stützelementen aus aufwändig bearbeitetem Gusseisen sind Ausdruck eines gut durchdachten Projekts, das Funktionalität und architektonische Ästhetik miteinander verbindet.

Grand Hotel, Restaurant und Seilbahn am Campo dei Fiori
Der Campo dei Fiori ist eine Hotelanlage auf 1.100 Metern Meereshöhe. Er wurde von 1910 bis 1912 im Auftrag der Gesellschaft Grandi Alberghi gebaut. Es war möglich, die Hotelanlage von Mailand, Como, der nahen Schweiz und dem Lago Maggiore aus in kurzer Zeit dank einer Seilbahn zu erreichen, die in der Nähe einer der ersten der Kapellen des Rosenkranzweges startete, welcher noch heute zum Heiligtum Santa Maria del Monte führt. An der Anlage, die inzwischen außer Gebrauch ist, kann man heute noch die komplexe Architektur bestaunen, die sich wunderbar in die Voralpenlandschaft integriert.